Was ist Aufklärung? -- Immanuel Kant

Samstag, 15. Januar 2011

Landeskongress der Jungen Liberalen Berlin – ein Leben in der weltanschaulichen Enklave

Hier lang geht es zum
Kongress.

Heute fand der Landeskongress der Jungen Liberalen Berlin im BVV-Saal des Rathauses Reini­ckendorf statt. Gekommen sind prominente liberale Politiker aus dem gastgebenden Bezirk, Vetter und Schmidt, sowie auch der Vorsitzende der [noch?] FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin Meyer. Auch der Vorsitzende der Jungen Liberalen auf Bundesebene Becker war anwesend.
Logo der Jungen Liberalen Berlin

Es herrscht eine äußerste tendenziöse Atmosphäre so, als müßte man meinen, die Welt bestehe nur aus deutschen Liberalen. Versetzt in diesen geistigen Zustand fiel es den Teilnehmern leicht, keine Debatten durchzuführen, keine Erörterungen vorzunehmen. Wozu? Denn alle waren einer Meinung. Die Welt ist demzufolge völlig in Ordnung, wenn man so intensiv diese Art von „geistiger Inzucht“ erlebt.

Durch diese Neigung zum politischen Solipsismus entwickelte sich ein esprit de corps [auf Deutsch: Korpsgeist], der den Teilnehmern ermöglichte, sich in militärischer Fasson für den näch­sten Wahlkampf zu formieren (mehr zum Solipsismus unter PhilLex -- Lexikon der Philosophie).
"soziale" Militarisierung für die
Demokratie? "Disziplinierte"
Demokratie für Deutschland?

Die Jungen Liberalen erklärten nämlich den anderen Parteien, Fraktionen und Weltanschauung den Krieg. Darum standen die ganze Zeit Strategiefragen im Vordergrund. Die Julis schienen kein Programm zu haben. Sie wußten auch nicht, wofür und wogegen sie sind. Ihre Einstellung zum Liberalismus spielte absolut keine Rolle im Kongress. Sie wurde nicht einmal Gegenstand einer Aussprache. Waren sie wirklich alle einer Meinung? Oder haben sie einiges unterdrücken müssen (vgl. Tagesspiegel vom 20.02.2010: Niebel bringt Parteifreunde ins BMZ).
Früher waren die Liberalen Gegner des
Militärs -- heute können sie Militär von
Demokratie nicht unterscheiden.

Der Verstand, die Wahrnehmung oder gar das Gewissen – also die gesamten geistigen Organe – spielten im Kongress keine sonderlich ge­wichtige Rolle. Was überwog, waren Meinung und Gegenmeinung. „Ich habe meine Meinung, du hast deine. Vielleicht reden wir irgendwann mal miteinander, aber vielleicht auch doch nicht.“ Die­se kompromißlose Bindungslosigkeit war derjenige Faktor, der den Kongress prägte. Keiner wagt den Versuch, den anderen gerade deswegen zu verstehen, weil er eine andere Auffassung über ein x-beliebiges Thema vertrat als einer selbst. Darin war ein großes Defizit im Kongress zu erkennen.
Auch hier herrscht Korpsgeist

Es glänzt im Saal, aber das heißt
nicht, daß alle Anwesenden
erleuchtet sind.
Weil sie so inhaltsleer waren, fiel der Ton der Reden äußerst agitatorisch aus und versuchten, jedes Ele­ment von Verstand und Vernunft unter den Beteiligten auszuschalten. Ein alkoholisierter Geist brach mit brutaler Gewalt in den Saal ein. Allerdings gab es einige Ausnahmen. Manche haben sogar behauptet, sie seien "ruhig" und "bodenständig".

Schließlich wollten sie alle Politik machen“. Welche Politik, wie Politik gemacht werden soll, wel­che Themen angesprochen werden sollen, ob sie damit die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger da­durch befriedigen, war kein Thema. So was kam gar nicht zur Sprache. Hauptsache, man tritt als Macher auf der politischen Bühne auf. Die Mächtigkeit – und keineswegs der Inhalt, der Nutzen, die Positivität – des politischen Weges sei an oberster Stelle ausschlaggebend. So macht man Politik, so kann man keine Politik machen“, waren die Losungen des Tages.
Ist die Parteifreundin
nicht eine süße Puppe?

Und wie sich das anhört, waren die Männer in der Mehrheit. Zwar gab es Frauen. Einige wurden so­gar im Vorstand gewählt, aber diese Frauen begnügten sich mit einer Barbie-Puppe-Rolle. Sie ver­sorgten das Herz, während die Männer für die Ehre, den Ruhm und die Mächtigkeit der Organisa­tion Sorge trugen. Nach einer Aufgabenteilung nach dem Geschlecht sah das aus.

"Wir müssen zusammenhalten", hat man so oft in Redebeiträgen gehört. Aber wozu? Wofür? Das klang so ernst und recht kämpferisch, aber wußten die Teilnehmer überhaupt, wofür oder wogegen sie kämpfen?
der lässige Lasse

In diesem Augenblick trat der Vorsitzende der JuLis auf Bundesebene, Lasse Becker, der die Berli­ner auf die Defizite der Organisation aufmerksam machen wollte – durch die Blume, versteht sich. Er hat seinen Parteifreunden diplomatisch mitteilen wollen, daß die JuLis unsachlich seien und kei­ne Streitkultur hätten, was durch den Hergang der Ereignisse auf diesem Kongress bestätigen ließ. Inwieweit die anderen seine Worte beherzigten, läßt sich nicht sagen. Auf das gegenwärtige und künftige Verhalten scheinen sie keine Einfluß nehmen zu können.

Insbesondere für die Männer, die am Kongress teilgenommen haben, war es wichtig, sich selbst und anderen mitzuteilen, was für ein gutes Gefühl es ist, anwesend zu sein, mitzuerleben und am Werdegang der Jungen Liberalen teilzuhaben. Man könnte denken, mit solchen Äußerungen befinde man sich in einem Liebesroman aus der Boulevardpresse.
Lassen Sie mich bloß in Ruhe mit Ihrer ...

Den dort anwesenden Frauen waren derartige „Gefühlsausbrüche“ nicht zu Mute, welche bei den Männern in „Mißgefühle“ ausgeartet haben. Die Frauen blieben dagegen recht nüchtern, während die Männer in ihrer jeweiligen Großmannszucht austobten. Es war halt eine tolle Zeit. Man muß des öfteren so eine Party machen, um die Laune zu heben. Dadurch können sich alle wohlfühlen.

Ein Gespräch konnte ich mit dem neuen Landesvorsitzenden der Jungen Liberalen Berlin, Justus Leonhardt, vor und nach seiner Wahl führen, wobei er sich gerade nach der Wahl sehr in die Pflicht genommen fühlten. Er mußte halte auf seine Schafe aufpassen.
Liberale Hochschulgruppe an der FU Berlin

Leonhardt trat mir gegenüber sehr integer auf. Er wollte nichts Falsches sagen und für alles die richtigen und passenden Worte finden. Das muß man ihm zugutehalten. Er strahlte Nüchternheit aus und wollte allen Recht tun. Ihm ist dies in der Regel auch gelungen.

Leonhardt ist Politologe und Künstler zugleich. Er studierte früher in der Freien Universität Berlin und war dort Mitglied der Liberalen Hochschulgruppe, welche bei facebook mit einer eigenen Seite vertreten ist. Heute ist er der Vorsitzende des Bezirksverbandes Mitte der JuLis Berlin.
Justus Leonhardt (rechts) unter den
"Ekstatischen" seiner Partei

Wie soll Berlin regiert werden?
, fragte ich ihn. Es soll so regiert werden, daß die Menschen in der Stadt die gleichen Chancen haben, antwortete er. In Berlin soll jeder willkommen, aber auch frei sein. Gerade in Mitte hat die Integrationspolitik eine große Bedeutung. Diese soll allerdings nicht auf den Islam fixiert sein. Gerade beim Islam können viele Menschen den Islam vom Islamismus unterscheiden. Das eine wird allzu oft mit dem anderen vermengt. Das hat zur Folge, daß viele Vor­urteile hinsichtlich des Islams entstehen, die eigentlich hätten abgebaut werden können.

Vielmehr soll eine „Wertedebatte“ geführt werden, welche wenig Bezug auf Religion genommen wird. Was damit gemeint ist, konnte nicht ausreichend ermittelt werden. Integration verlangt vom Nichtdeutschen nicht, daß er seine Persönlichkeit umkrempelt, um sich der deutschen Leitkultur anzupassen, sondern eher daß er sich lediglich rechtstreu verhält.

Die Julis befürworten das Partizipations- und Integrationsgesetz, das eine Quotenregelung vorsieht. Die Integration von Nichtdeutschen kann und soll durch geeignete Bildungsmaßnahmen gefördert werden.
Leonhardt als "ekstatischer Fahnenträger"

Ein weiterer Schwerpunkt der Jungen Liberalen Berlin liegt in der Bildungspolitik. Sie treten gegen die Einheitsschule ein und bevorzugen eine Autonomie der Schule, in der der ortsspezifische Charakter der einzelnen Schulen betont wird. Die Schullandschaft muß heterogen sein, damit jede Schule dem Bedürfnis der jeweiligen Ortsschaft gerecht werden kann. Alles, was noch hier zu sagen war, fiel recht abstrakt aus. Man könnte nicht herausfinden, wie sich die JuLis die Umsetzung ihrer Politik vorstellten. Das derzeitige Modell der „Einheitsschule“ des rot-dunkelroten Parlaments „bringt uns nicht weiter“, ohne zu sagen, was „bringt uns nicht weiter“ überhaupt bedeutet, und ohne zu sagen, was uns wirklich weiterbringt und warum. Offensichtlich wird an dieser Stelle eine geheime politische Strategie, worüber die Bürger und die Öffentlichkeit nicht erfahren darf.

Schließlich habe ich Leonhardt gefragt, was aus seiner Sicht Liberalismus“ bedeutet. An dieser Stelle fühlte sich der neugewählte Landesvorsitzende überfordert. Er habe viel über dieses Thema geschrieben, kann sich an keine Grundsätze erinnern, mit denen er sich selbst befaßt hat.

Auch die deutschen Liberalen glauben
an den Weihnachtsmann

Nachdem er sich geistig schwer angestrengt hat, antwortete er auf meine Frage wie folgt: Letzten Endes sei Liberalismus die Umsetzung der Freiheit. Frei sein“ heißt nicht das zu tun, was andere wollen, sondern nur stets so zu handeln, daß man nur das tut und unterläßt, was man will. Wer wirklich „frei“ ist, widersetzt sich dem, was andere einem diktieren wollen. Insofern drückt sich Freiheit in einer anti-autoritären Haltung gegenüber der übrigen Welt aus (vgl. auch kindererziehung.com). Der Freiheitsbegriff des neuen Landesvorsitzenden ist demzufolge defensiv, nicht schöpferisch zu verstehen. Er ist auf den Willen, nicht auf den Verstand oder auf sonstige geistige Fähigkeiten zugeschnitten.
Freiheit als Gefühl, als Erlebnis

Insofern besteht ein gewisser Dissens zwischen der Freiheitsvorstellung der JuLis Berlin und den JuLis auf Bun­desebene. Denn der Bundesvorstand Becker der Jungen Liberalen stellt Freiheit als ein Lebensge­fühl – nicht als eine ungezwungene Willenserklärung – dar. Es bleibt abzuwarten, wie sich bei den Jungen Liberalen der Freiheitsbegriff entwickelt, ausgelebt und in die Tat umgesetzt wird. Ebenfalls bleibt es abzuwarten, ob sich Gefühl, Wille und Verstand im Freiheitsbegriff der Jungen Liberalen repräsentiert fühlen oder nicht.
Was wurden die alten, liberalen
Denker dazu sagen?

Meine letzte Frage im Gespräch lautete:
Was tun Sie für den Bürger? Die Antwort fiel ebenfalls un­befriedigend aus. Zunächst verhielt sich Leonhardt etwas abwehrend, indem er betonte, der Bürger sei für ihn nicht der Hauptansprechpartner, sondern allein die FDP. Die Jungen Liberalen bestimm­ten sich in erster Linie durch ihr seelenverwandtschaftliches Verhältnis zur FDP. Die Vertretung bür­gerlicher Interessen macht sein Verein nicht. Dennoch hat es Augenblicke gegeben, wo sich der Ver­ein mit Eltern-, Lehrer- und Vertretern anderer Organisationen in Verbindung setzt. Einmal haben die JuLis in einem Obdachlosencafé ausgeholfen. Richtig kennen tut er die Bedürfnisse und Wün­sche der Bürger nicht. Das sei auch nicht seine Aufgabe.
alter [links] und neuer [rechts]
Vorsitzender der JuLis Berlin
helfen den Obdachlosen
Es ist also zu hoffen, daß die Jungen Liberalen irgendwann mal in Zukunft mehr Abschied von ihrer bisherigen weltfremden Haltung nimmt und sich mehr den Bürgern zuwendet. Sie sollten nicht nur in die Gegenwart kommen, sondern auch sich geographisch besser orientieren, um das Hier und Dort ausfindig zu machen. Wer sich nicht für den Bürger einsetzt, macht sich in einer Demokratie unglaubwürdig, sofern sie sich am Volkssouverä­nitätsprinzip orientiert.
Tarzan als homo politicus ??,
als "Macher" ??

Was nicht ausreichend zum Ausdruck kam, war die Tatsache, daß die Liberalen in Deutschland eine politische Minderheit bilden. Es ist bis jetzt noch nicht klar, wen die Liberalen unter dem Volk ver­treten. Das Verhältniswahlrecht in Deutschland entbindet eine Fraktion von der Pflicht aus Art. 38(1) Satz 2 GG, das „ganze Volk“ zu vertre­ten. Sie darf auch nur einen Bruchteil des Volks vertreten. Das bedeutet, daß das Sektierertum, das die Jungen Liberalen an dieser Stelle verkörpern, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Es steht dem Volkssouveränitätsprinzips nach Art. 20(2) und 20(4) GG nicht entgegen.

Wen aber die Liberalen vertreten, ist aus dem, was heute vorgekommen ist, nicht ersichtlich genug. Parteien und Fraktionen legitimieren sich dadurch, daß sie einen Teil des Volkes vertreten. Also sollte dieser Teil ausdrücklich erwähnt wer­den.
Barbie und Tarzan passen
gut zusammen, oder ?? Man
sagt: Sie bilden ein "Team".

Das ist jedoch leider hier und woanders unterblieben.
weitere Recherchen zum gegenwärtigen Thema:
Das politische Fundament der deutschen Liberalen beruht auf der politischen Philosophie von Aristoteles. Demnach ist der Mensch ein "Herdentier", das als solches seine Individualität weder sucht noch pflegt, sondern sie vielmehr aufopfert, nur um das Gefühl zu haben, als Teil des "Ganzen" in der Gestalt der Gemeinschaft betrachtet zu werden. Deswegen steht seine sogenannte Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an oberster Stelle. Dadurch stellt er die Gemeinschaft auf ein wesentlich höheres Podest als sich selbst und seine Mitmenschen. Also ist der ζον πολιτικόν bereit, sich seiner Individualität zu entledigen, nur um nicht das Gefühl zu haben, von den anderen ausgegrenzt zu sein.

Solche politische Auffassungen schreibt man entweder dem Sozialismus oder dem Militarismus zu. Sie gehören zu diktatorischen, despotischen und totalitaristischen Auffassungen darüber, wie der Staat, die Gesellschaft und letzten Endes auch der Mensch geordnet zu sein hat. Nichts für Ungut ist von einer damals vorhandenen oder aufkeimenden "sozialen Militarisierung" im alten Preußen sowie in der Weimarer Republik die Rede.

Quellen zur weiteren Recherche:
wikipedia zum ζον πολιτικόνd.h. zum "sozialen Tier" oder "Herdentier", das auf griechisch als "zoon politikon" beschrieben wird;
wissen.de zum zoon politikon ;
Zeit-Online: Herdentrieb und  Aristoteles' zoon politikon -- die Austragung einer aktuellen Debatte unseres Zeitgeistes

Donnerstag, 13. Januar 2011

75. Plenarsitzung des AvB am 13.01.2011 -- Einführung in das parlamentarische Leben

Die Glocke hat geläutet, und da waren die allerwenigstens Abgeordneten dort, um die Plenarsitzung zu beginnen. Die Abgeordneten in Berlin sind Menschen, die sich selbst nicht als Menschen, son­dern als Fahnenträger betrachten. Sowie jeder sein Päckchen im Leben tragen muß, trägt jeder Ab­geordnete sein Fähnchen.
Sie reden von "Sparen", meinen aber
klauen -- und nennen das auch noch liberal !!
Sparen = kleptokratisches Handeln (siehe
Politker -- Deutsch // Deutsch -- Politiker)

Die Abgeordneten nennen sich gegenseitig „Kollege“ vor allem dann, wenn sie einen guten Tag haben. Sie benehmen sich allerdings wie Konkurrenten, keineswegs als Kollegen. Sie betreiben einen heftig ausgetragenen Wettbewerb um die Vormachtstellung  bei folgenden Sachen:

  1. wer setzt sich am meisten für Zucht und Ordnung im Staatswesen sowie im Gesellschafts­wesen ein? Wer ist der "größte Arisierer" im ganzen Lande? Wer ist bereit, die strengst möglichste Ordnung im Lande herzustellen, die nur der Quälerei dient?
  2. wer „spart“ am meisten? Wer klaut vom Volk am meisten?
  3. wer erzählt dem Volk am meisten Lügen?
  4. wer entzieht dem Bürger am meisten seinen politischen und rechtlichen Schutz?
Trickser kennen sich untereinander gut
Jeder Abgeordnete will der beste sein. „Herr Kollege, ich weiß, daß Sie dem Volk viel Geld klauen“, würde ein Abgeordneter in einer Rede behaupten, „aber ich klaue mehr als Sie. Also bin ich besser als Sie. Unsere Partei und unsere Fraktion waren immer für den hoheitlichen Diebstahl, und wir haben jedesmal dafür gekämpft. Wir kämpfen weiter darum.“

Die Abgeordneten verwenden allerdings eine kryptische Sprache, ja so was wie einen Geheimcode, um diese Tatsachen zum Ausdruck zu bringen. Unter sich verstehen sich die Abgeordneten scheinbar ziemlich gut, aber die Entschlüsselung bleibt der Allgemeinheit verwehrt. Vielleicht wäre an dieser Stelle ein Wörterbuch Politiker -- Deutsch // Deutsch -- Politiker hilfreich.
Hier gibt es viele Marktschreier --
ein Dialog unter Tauben entsteht.

Das erste politische Thema, war das Problem mit der S-Bahn. Da erschien eine Abgeordnete von der Fraktion der Grünen am Podium. Das sogenannte „Chaos“ war ihr zu viel. Es muß endlich mal „Ordnung“ ins Land eingeführt werden. Was der Senat tut, sei eine absolute „Unverschämtheit“. Da­für gibt es weder eine Rechtfertigung noch ein Verzeihen. Das „Chaos“, das sie gerade halluziniert, führt zu „Abhängigkeit“, welche schädliche Nebenwirkungen nach sich zieht.
ein Wörterbuch für den Dialog
zwischen Bürger und "Volksvertreter"

In der Tat braucht man einen guten Übersetzer, der einem den Weg weist, um zu begreifen, was die Abgeordneten eigentlich sagen wollen und vor allem ob das, was sie sagen, überhaupt eine Bedeutung hat. Das Meiste, was ein Abgeord­neter in Worte faßt, ist semantisch irrelevant. Es ist in der Tat bedeutungs- oder inhaltsleer. Allerdings ist das eine gute geistige Übung, sich Quatsch anzuhören. Es dauert nur sehr lange, um zu erfahren, worüber eigentlich geredet wird.

Das ist auch hier der Fall. Während der Rede war es den Zuhörern nicht klar, ob die Abgeordnete etwas gegen Chaos an sich melden oder ob sie den Zu- oder Mißstand in der S-Bahn beanstanden wollte. Ist die Abgeordnete von der militaristisch handelnden Grünen-Fraktion eine Chaos-Hasserin, oder ist sie tatsächlich jemand, die an den Mißständen bei der Inbetriebnahme des S-Bahn-Verkehrs dergestalt interessiert ist, daß sie nach Wegen sucht, um diesen Mißstand zu beheben?
Auf diesen Gleisen können Sie nicht
fahren.

Aus ihrer Rede konnte keine eindeutige Antwort abgeleitet werden. Man hätte die Abgeordnete danach fragen können, aber das hat halt keiner gewagt.

Wenn sie mit sich selbst ehrlich miteinander umgehen würde, hätte sie folgendes gesagt:
"Hören Sie mal gut zu, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hasse Chaos, und da ich Chaos hasse, hasse ich selbstverständlich das Chaos bei der S-Bahn. Gegenüber Chaos kann ich keine Toleranz aufbringen. Es muß ausgerottet werden, damit ich in dieser Welt überleben kann. Denn Chaos hasse ich überall. Dabei spielt es keine Rolle, ob es bei der S-Bahn entsteht."
Das wäre verständlich und nachvollziehbar, aber nein, sie zog lieber eine hysterische und manische Inszenierung ihres Klagelieds vor, die sie im Plenum ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber darstellte.

Sinn und Zweck dieser Verzögerung durch eine überzogene Dramatisierung von Ereignissen ist die Verlangsamung des Geschehens. Andere sollen mit unpassenden Mißgefühlen belastet werden, damit sie nicht mehr wissen, wie sie richtig und gut handeln können. Das Parlament ist ein Organ, das die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse verlangsamt.

Danach mußte Senator Dr. Zöllner den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Er trat besonders pathetisch auf. Vielleicht meinte er, daß er dadurch seine Autorität geltend machen konnte.
Hartz IV geht viele in Berlin an.

Es ist aber nicht so, daß alle Abgeordneten bürgerfeindlich sind. Gerade in der mündlichen Anfage haben wir etwas anderes erlebt. Ein Abgeordeneter griff ein Thema auf, das die meisten Menschen in dieser Stadt wirklich betrifft, nämlich Hartz IV. Seine Frage lautete:
"Wie hoch ist der neuerliche Hartz IV-Klagerekord des letzten Jahres in Berlin, und wie ist in diesem Zusammenhang die Situation des Berliner Sozialgerichts einzuschätzen?"
Das war eine sehr kurze Frage, mit der der Abgeordnete viel zu sagen versuchte. Ich hielt danach eine kurze Aussprache mit Herrn Rainer-Michael Lehmann, MdA [SPD-Fraktion], nachdem Senatorin von der Aue seine Frage beantwortet hat, und fragte nachdem, was er mit der Frage meinte und welche Beweggründe er an den Tag gelegt hat, als er dem Senat die Frage stellte.
Rainer-Michael Lehmann, MdA

Er erklärte mir, daß die Frage nicht so zu verstehen war, daß er die Auffassung vertritt, die Bürger würden zu viel klagen und demzufolge die öffentliche Ordnung damit gefährden. Die Bürger sollen ruhig klagen, um die Rechtsordnung durchzusetzen und dabei auch das Rechtsstaatsprinzip umzusetzen.

Er bedauerte allerdings, daß in den meisten Fällen der Bürger zu lange warten muß, bis sein Verfahren bearbeitet wird. Zwei Organe werden an dieser Stelle betroffen: das sind zunächst mal die Gerichte und dann die Verwaltung. Die Verwaltung setzt sich wiederum aus
  • Bezirk,
  • Land und
  • Bund zusammen,
wobei der Bund, vertreten durch die Arbeitsagentur für Arbeit, die allerwichtigste Verwaltung ist. In der Vergangenheit das Land zu wenig Einsatz in dieser Sache geleistet, aber durch die Antwort der Frau Senatorin von der Aue sieht er eine Möglichkeit, daß sich das Land kräftiger in der Arbeitslo­senverwaltung einbringt.
Ein bürgerfreundlicher Abgeordneter gibt den Ton an.

Gefragt danach, wo die Defizite liegen, antwortet Lehmann, daß es die Verwaltung ist, die das Gesetz nicht richtig anwendet. Das liegt aus seiner Erfahrung mit der Verwaltung daran, daß die Beamten und übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes den Bürger als Bittsteller betrachten.

Die andere Möglichkeit wäre, wenn sich der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst selbst als Dienstleister und demzufolge als Diener des Volks handeln würde.

Wie sieht der derzeitige Stand der Sachen aus?, fragte ich ihn.
Der gute Abgeordnete vermittelt
zwischen Bürger und Staat.

Die Sache geht in die Richtung Dienstleister, aber es gibt nach wie vor viele Defizite“, antwortete Lehmann. Was es noch zu tun gibt, hat mir Lehmann nicht mitgeteilt, aber vielleicht erfahren wir das beim nächsten Mal.

An diesem Tag waren die Abgeordneten besonders aggressiv, indem sie sich gegenseitig beleidigten und anschrien. Es gab eine Menge giftiger Reden, welche mit einer deutlichen verfassungsfeindli­chen Sabotage einherging. 


Die Parteien von der CDU bis zur Linkspartei unterscheiden sich kaum voneinander. Da sich keiner sich mit dieser Realität konfrontieren möchte, bilden sich die Abgeordneten ein, sie seien – was z,.B. ihre politische Konfession angeht – grundsätzlich so verschieden, daß sie nicht miteinander re­den können oder auch dürfen.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Deutschland liebt keine Versager

In der Kolumne auf S. 4 der Berliner Zeitung vom 11.01.2011 steht ein Artikel über die FDP, der die Überschrift "Frische Liberale braucht das Land" trägt.
ein chemisches "Experiment
mit tödlichen Folgen?
scheinbar Ja.

Dort stehen solche Sätze wie:
"Die FDP hat den Liberalismus verraten."
"Die Freie Demokratische Partei ist nicht zu retten. Sie betreibt Etikettenschwindel. Nach altliberaler Lesart müssen jetzt die Selbstheilungskräfte der politischen Marktwirtschaft walten: Sie müssen das Ende der geistig insolvent gewordenen Partei schnell besorgen."
Solche Sätze wollen nicht unbedingt Wahrheiten verkünden, denn man kann sich berechtigter Weise fragen: "Wie äußert sich dieses Phänomen? Woher wissen Sie das, was Sie an dieser Stelle behaupten?"
Den Siegerkult hat es in
mehreren Religionen gegeben.

Es fällt schwer zu behaupten, daß jeder weiß, die FDP werde bald von der politischen Landkarte Deutschlands verschwinden. Dennoch spüren die Menschen die Neigung der FDP, sich dramatisch nach unten zu bewegen, und möchten diesem Trend Vorschub leisten, indem sie sagen, die FDP sei eine Versagerin und hätte demzufolge kein Existenzrecht mehr. Sie handeln so sie der aztekische Sonnengott, der Blut und Herzen von den Verlierern abverlangt, damit er überleben kann und die anderen nicht.

Die FDP selbst tut so, als ob nichts passiert wäre oder als ob sie nichts Wesentliches unternehmen könnte, um diesem rapiden, "schlechten Rutsch nach unten" etwas Wirksames entgegensetzen zu können, das der Fahrt berg ab zuwiderlaufen könnte. Sie erlebt eine sogenannte Götterdämmerung so, wie dies in Wagners 4. Teil des Nibelungenlieds inszeniert.

Wer in einem so üppigen Palast lebt,
kann sich wohl eine Feuerwehr leisten.
Walhalla brennt, aber keiner macht einen einzigen Finger krumm, um das Feuer zu löschen. Es ist ja so, daß keiner auf die Idee kommt, das Feuer zu löschen. Vielmehr schauen die Götter teils passiv, teils resigniert zu, wie das Feuer um sich greift. Das lodernde Feuer scheint die Götter so sehr zu faszinieren, daß sie einfach wie Klotze dastehen und sich von dieser Ästhetik beeindrucken zu lassen. Vielleicht hatten die Götter keine eigene Feuerwehr.
In der Tat ist es Zeit zu handeln,
man muß "lediglich" wissen wie.

In Wagners Oper ist es unmöglich, die Feuerwehr zu holen, aber in der tatsächlichen Welt läßt sich das vielleicht doch anders bewerkstelligen.

Oder weist die FDP so große Ähnlichkeiten zu den Göttern in Walhalla auf?

weiteres Material über Walhalla:
wikipedia zu Walhalla, einem "real existierenden" Ort in Donaustauf (Bayern)
Die Walhalla neben Regensburg
König Ludwig I. von Bayern, Bauherr von Walhalla in Donaustauf

Sonntag, 9. Januar 2011

Ein Tag voller Überraschungen – Bericht über den Ablauf der Rosa-Luxemburg-Konferenz

Die Konferenz begann mit einem Vortrag von einem israelischen Soziologen und Historiker namens Zuckermann. Er beschrieb, wie schwierig es im Augenblick ist, Frieden in Israel und Umgebung herzustellen. Das läge daran, daß die Parteien – einerseits die Israelis, andererseits die Palästinenser – nicht gewillt oder sonst nicht in der Lage sind, mit der Gegenseite eine Einigung zu erzielen. So ist die Lage gegenwärtig in Israel.
nicht einmal Jesus hat es damals
als Jude leicht gehabt

Zuckermann wurde über die jüdische Lobby in den USA gefragt. Seine Auffassung war, daß „eigentlich“ die USA nicht interessiert sind, Israel ewig aufrechtzuerhal­ten. Wenn die Zeit kommt, daß Israel ein Verhalten an den Tag legt, der den Interessen der USA zu­widerlaufen, dann wird die sogenannte „enge Freundschaft“ zwischen den beiden Ländern durch die USA aufgelöst. Inzwischen trägt die jüdische Lobby in den Machtzentren der USA recht wenig Gewicht. Nach Auffassung Zuckermanns ist die saudiarabische Lobby in den USA wesentlich mächtiger als die pro-israelische Lobby der amerikanischen Juden.

Die Vorstellung, daß die jüdische Lobby in den USA so stark ist, sei eine Erfindung der „bürgerli­chen Presse“, welche aus seiner Sicht „antisemitisch“ sei.
Eine Ikone des deutschen Widerstands

Der nächste Redner war Matthias von Hermann, Pressesprecher der „Parkschützer“ in der Ausein­andersetzung der Bürger Baden-Württenbergs mit dem Land und vor allem der Polizei und der Deutschen Bahn. Er erzählte viel vom Widerstandsrecht, wobei er sich darunter vorgestellt hat, daß es sich bei diesem Recht um einen passiven Widerstand handelte. Das nennt man auch „zivilen Un­gehorsam“ nach dem von Thoreau, Gandhi und King verwendeten Ausdruck. Die Parkschützer be­treiben „bewußten Haus- und/oder Landfriedensbruch“, um die gegnerischen Kräfte – bestehend aus Polizei, Land Baden-Württenberg und Deutscher Bahn – daran zu hindern, ihre Pläne zu ver­wirklichen, die sich gegen die Volkssouveränität sowie gegen das Volkssouveränitätsprinzip richten.

Der Staat tat sowohl auf doof sowie auch auf „friedlich“ bzw. „friedensstiftend“, als er festgestellt hat, daß große Menschenmengen hinter der Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse hin­sichtlich des Stuttgarter Bahnhofes standen. Der Staat fing an, mit dem Volk – und auch den Bür­gern – zu sprechen, um beide arglistig zu täuschen. Denn während er diese Gespräche geführt hat, hat er weiter bauen lassen. Er hat es durch angebliche „Friedensgespräche“ der Bahn ermöglicht, an ihren Bauplänen festzuhalten und sie fortzusetzen. Dabei haben die Parkschützer erkannt, daß sich der Staat aus seiner menschenverachtenden und volksfeindlichen Seite gezeigt hat.
Eine weitere Ikone des Widerstands schlechthin

Eines Tages gaben sie bekannt, daß sie dies nicht mehr dulden würden. Also haben sie Plätze und Felder besetzt. Sie holten die Hilfe von „befreundeten Bauern“ ein, die mit ihren Traktoren die Ak­tion der Parkschützer mittels „praktischer Hilfe“ unterstützt haben. Bei den Parkschützern wird es keine Entschärfung der Sachlage durch Scheinmeditation vorgetäuschter Natur geben.
Die fünf kubanischen Gefangenen:
wieder eine Ikone des Widerstands

Die Parkschützer organisieren eine landesweite Aktion am 05.02.2011. An diesem Tag soll ganz Deutschland vor dem naheliegendsten Bahnhof demonstrieren, um Stuttgart 21 nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Es wird weiterhin in Stuttgart „Montags-Demos“ geben.
Mumia Abu-Jamal aus den USA:
eine weitere Ikone der Linksradikalen

Danach wurde über den Kampf um die Freilassung von Mumia Abu-Jamal erzählt. Nachdem sich die Redner mit ihm beschäftigt und seine immer noch nicht gelöste Lage im Gefängnis und bei den Gerichten befaßt haben, sprachen sie das Thema der „Cuban Five“ [ausgerechnet auf Englisch formuliert !!] an. Das sind wiederum auch Gefangene, welche die Regierung und die Justiz der USA nicht freilassen, und zwar offensichtlich „aus Prinzip".

An dieser Stelle ist zu erkennen, wie sehr die Linksradikalen Kult-Figuren und Ikonen über alles lieben. Das macht sie einerseits zu Ikoneentwerfern, andererseits zu Ikonoklasten. Man fühlt sich hier wie in einem Kulturkampf mit inquisitorischen Zügen.
King hat uns sehr inspiriert
Danach sangen zwei Künstler ihre Lieder. Der eine, Michael Weston King, kam aus England her und sang Balladen, während die, Lucía Vargas, andere aus Kolumbien herkam und sang Rap auf Spanisch. Beide waren auf ihre besondere Art dramatisch.

Dann wurde es wieder ernst, als der Botschafter Venezuelas im Iran, David Velásquez Caraballo eine recht ausführliche Rede über die Innen- und Außenpolitik sowie auch die allerjüngste Geschichte Venezuelas hielt.

Velásquez Caraballo erklärte, wie sich Venezuela von der korrupten Regierung des ex-Präsidenten Carlos Andrés Pérez zur heutigen Zeit entwickelt hat und wie Venezuela zu dem geworden ist, was es jetzt ist, dessen seit 1998 Präsident Hugo Chávez ist.
David Velásquez Caraballo, Botschafter
Venezuelas gegenüber Iran

Der Botschafter erklärte ferner, daß sein Land kleine Schritte vornimmt, um die Ziele der Revolution sowie der neuen Verfassung zu verwirklichen, da dies weder spontan noch von einem Tag zum anderen geschehen kann. Alle Nationen haben eine Vergangenheit, und sie haben alle mit dieser Vergangenheit zu kämpfen, weswegen es seiner Regierung verwehrt, die Revolution nur auf langsamem Wege umzusetzen. Die neue Regierung unter Chávez hat dennoch viele Fortschritte erzielt. Dennoch hat die Regierung im Jahre 2007 ein Referendum verloren. Dabei ist es zu keinem Mißglück gekommen. Vielmehr hat die Regierung versucht, sich in die Lage ihrer Landsleuten, um zu begreifen, warum die Regierung diese Niederlage erlebt hat.
noch einmal eine Ikone für
"linksradikale Kommunisten"

Schließlich bedankte sich der bescheidene Diplomat bei seinem Publikum dafür, daß sie ihm aufmerksam zugehört und seine möglicherweise "langweilige" Rede ausgehalten haben.

Der Höhepunkt der Konferenz gipfelte in der Rede der Frau Dr. Abg. Gesine Lötzsch, MdB, welche gleichzeitig Vorsitzende der Linkspartei, welche aus zwei Vorsitzenden besteht. Einige Tage vor Eröffnung der Konferenz wurde sie in die Kritik geraten, weil sie es gewagt hat, von ihrer Gedankenfreiheit Gebrauch zu machen. Die Gedankenfreiheit steht zwar nicht ausdrücklich im Grundgesetz; sie steht allerdings in Art. 9(1) der Europäischen Menschenrechtskonvention und hat folgenden Wortlaut:
"Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen."
Art. 9(2) EMRK schränkt zwar die "Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen", jedoch nicht die Gedankenfreiheit. Diese Freiheit wird allerdings gefährdet, wenn jemand fordert, man darf den Begriff "Kommunismus" nicht im öffentlichen Dialog verwenden.
zu viele Spuks, zu wenig bürgerliche
Freiheiten in Deutschland

Ziel der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren vertragschließende Partei die Bundesrepublik Deutschland ist, ist „die Wahrung und Fortentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ (vgl. Präambel der EMRK).

Wenn aber in einem Land ernsthaft diskutiert wird, daß das Wort "Kommunismus" verwendet oder nicht verwendet werden darf, dann ist dies ein Zeichen davon, daß das Land und die dort lebenden Menschen nicht frei, d.h. nicht frei genug sind. Denn in jedem freien Land ist dies so eine Selbstverständlichkeit, daß es kein Thema in der öffentlichen Auseinandersetzung wird.
Ist Abg. Lötzsch zu liberal für
eine Kommunisten und
für Deutschland zugleich?

Frau Dr. Abg. Lötzsch tat im großen und ganzen nichts anderes, als ein Plädoyer für die Ausübung ihrer Gedankenfreiheit abzugeben. Das Thema Kommunismus stellte sie nicht in den Mittelpunkt ihrer Rede. Allerdings ist die Gedankenfreiheit kein kommunistisches oder sozialistisches Recht, sondern eigentlich ein liberales Recht, das sich in Deutschland offensichtlich nicht durchgesetzt hat und das als Recht noch keine ausreichende Anerkennung erhalten hat.
Darf eine Ikone wie Inge Viett
auch denken?

Die öffentliche Diskussion sowie die medialen Auseinandersetzungen um dieses Ereignis zeigen doch, daß die Men­schen in Deutschland nicht frei sind, eigene Gedanken zu fassen. Die Aufklärung, die der Philosoph Kant anvisiert hat, konnte bisher in seinem Heimatland noch keinen richtigen Fuß fassen. Auf diese erhebliche Gefährdung der Grundrechte für sich und andere hat Lötzsch ihr Publikum aufmerksam gemacht.

Den Rest der Konferenz haben die Konferenzteilnehmer mit Diskussion, Fragestellungen und schließlich auch Musik und sonstiger Unterhaltung verbracht. Sicherlich haben die Teilnehmer viel über den Kommunismus gesprochen. Schließlich ist das ihr gutes Recht.
Lucía Vargas als DJ

Denn wenn die Menschen in Deutschland nicht denken dürfen, weil sie einer pausenlosen Inquisition ausgesetzt sind, dann werden sie niemals denken können. Es soll also niemanden wundern, wenn Deutschland bei der PISA-Studie schlecht abschneidet. Denn wo haben die Menschen in Deutschland das Denken gelernt?

Draußen gab es ein beträchtliches Polizeiaufgebot, das sich so um die Zeit formiert hat, als viele Menschen die Konferenz besucht haben und Abg. Dr. Lötzsch ihre signalgebende Rede gehalten hat.
Konzert von Lucía Vargas

Für viele muß es beschämend sein, daß jemand, der sich für einen Kommunisten hält, der breiten Öffentlichkeit Unterricht in Fragen der liberalen und bürgerlichen Grundrechte erteilen mußte, und zwar bloß um sich das Recht zu sichern, überhaupt sprechen und sich aussprechen zu dürfen.

Das hat der Konferenz sein besonderes Ambiente verliehen. Wie gesagt: "Ende gut, alles gut." Und viel Glück für die Zukunft beim Sammeln weiterer Ikonen und Kult-Objekten.

Bild: Mit "Terroristinnen" darf man nicht reden 08.01.2011 um 23.58 Uhr, Artikel von Adriano Sack