Was ist Aufklärung? -- Immanuel Kant

Mittwoch, 19. Januar 2011

Viel zu viel Gackelei für Anliegen, welche die Menschen wirklich interessieren und auch belasten

Die 83. Sitzung des Deutschen Bundestages fing mit hysterischen Appellen so an, als ob die Welt bald zugrunde gehen würde, weil einige Leute das Essen vergiftet haben. Das Vorhandensein dieser Vergiftung führte zur Ausbreitung vergifteter und vergiftender Gedanken im Plenum. Es kam so vor, als hätten die Abgeordneten einen Schnellballkampf veranstaltet. Die Schnellbälle seien allerdings aus geistigem Zyklon B zusammengesetzt.
Friedlich sah es im Parlament nicht aus.

Mit den pathetischen Reden, die man sich anhören mußten, und den Schuldzuweisungen, die nicht nach Lösungen gesucht haben, konnte kein rationales Gespräch – geschweige ein Gedanken- oder Erfahrungsaustausch – zustandekommen.

Das Giftgas hat deswegen so sehr gequalmt, daß auch der Berichterstatter dieses Ereignisses Zu­flucht in die Cafeteria nehmen mußte, wo er – ganz zufällig – Frau Abg. Schäfer aus Rheinland­-Pfalz und Abg. Hans-Joachim Otto aus Hessen getroffen hat.
tödliches Zeug. Als geistiges Erzeugnis
ist es noch tödlicher.

Er führte ein Gespräch mit Frau Abg. Schäfer, die auch Vorsitzende der pro-taiwanesischen deutsch-chinesischen Gesellschaft e.V. ist und ein breites außenpolitisches Engagement pflegt. Der Plenar­saal sei so leer, ließ ich ihr gegenüber feststellen. Die Bürger wissen das auch. Auch der Parlaments­präsident wurde danach gefragt, der aber seine Kollegen für ihr Fehlverhalten entschuldigt habe.

Frau Abgeordnete antwortete daraufhin, daß die Abgeordneten doch wichtige Sachen zu tun haben, die sie an der Teilnahme an der Fragestunde abhalten.
Frau Anita Schäfer, MdB

„Wenn dem aber so ist, warum halten sie hier im Haus die Fragestunde?", fragte ich die Abgeordnete. „Das frage ich mich auch.“

Nachdem das alles mit dem Gift und Gegengift vorbei war, verließen ca. 2/3 des ohnehin spärlich besetzten Bundestages den Plenarsaal. Ihr Arbeitstag sei vorbei. Jetzt dürfen sie sich mit anderen – ebenfalls ohne Grund – streiten. Der Steuerzahler ist halt sehr großzügig zu den Politikern, die nichts anderes tun können, als sich gegenseitig verbale und geistige Schneebälle entgegenzuschleu­dern. Was der „Bürger zweiter Klasse“ meint, der deswegen die zweite Klasse hat, weil er kein Steuerzahler ist, interessiert offensichtlich niemanden. Diese Wesen existieren halt nicht.

Ebenfalls verließen die Vertreter der Presse demonstrativ.

Bundesinnenminister de Maizière outet sich als Rechtsradikaler in Staatsbürgerschafts- und Ausländerfragen:
Danach kam die Fragstunde. Innenminister de Maizière war dran. Er erklärte seine Staatsbürgerschafts- sowie seine Ausländerpolitik.
Ist das das Ausländerbild de Maizières?

Er berichtete zunächst darüber, daß der Prozentzahl der Ausländer in Deutschland seit geraumer Zeit gleich geblieben sei. In den 90er Jahren lag er bei 8,7 % Ausländer, und er bleibt auch so. Den größten Personenkreis unter den Ausländern bildeten die EU-Bürger. Danach trat an zweite Stelle die Türken. Was danach kam, hat er nicht gesagt. Vermutlich war dies für ihn nicht interessiert, da er damit an die problematische Gruppe geraten ist.

Sein Bekenntnis zum Rechtsradikalismus auf diesem Gebiet kam dadurch zum Ausdruck, warum er sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft einsetzt und daß er eine Rückführung von Ausländern betreibt.
Brauchen wir ein NPD-Verbot, wenn in der
gegenwärtigen Regierung genug rechte
Weltanschauung vorhanden ist?

Aus seiner Sicht ist die Staatsbürgerschaft so was wie eine Ehe zu betrachten. So wie ein Mann keine zwei Frauen haben darf, darf ein Mensch keine zwei Vaterländer haben. Er muß sich entweder für das eine oder für das andere entscheiden. Die Staatsbürgerschaft verlangt die Einhaltung einer bestimmten „Monogamie“ im Verhältnis des Einzelnen zum Staat, denn auf diesem Gebiet ist „Polygamie“ unethisch.

Sein Erfordernis, daß sich der Mensch für einen hoheitlichen Partner entscheidet, wurde von den Abgeordneten nicht widersprochen, obwohl der Innenminister dadurch eindeutig eine rechtsradikale These avanciert hat, die als solche nicht in eine moderne Welt paßt. Früher gab es viel Aufruhr, viel Widerrede, aber als de Maizière verkündet hat, daß die doppelte Staatsbürgerschaft unsittlich sei, weil sich ein Mensch nur für eine Staatsbürgerschaft entscheiden kann, herrschte danach eine sehr auffällige Stille unterdrückender Natur. Der Innenmi­nister hat es endlich mal geschafft, diese Abgeordneten zum Schweigen zu bringen, die für ihren bisherigen „Pluralismus“ und demzufolge „Vaterlandslosigkeit“ in Verdacht gerieten.
Soll es bald nur brave Untertanen in
Deutschland geben?

Solche Thesen sind aber nicht nur rechtsradikal, sie passen nicht in die verfassungsmäßige Ordnung der nachkonstitutionellen Zeit. Wer solche Thesen vertritt, möchte sein III. Reich wiederhaben. Deutschland ist zum Frieden verpflichtet. Das bedeutet, daß es sich mit keinem Land der Welt – ins­besondere völkerrechtlich, also militärisch – anlegen, es sei denn, daß es von diesem Land angegrif­fen wird.
Solche und ähnliche Fragen könnte man den
Innenminister heute noch ruhig stellen?

Das gilt auch für die Staatsbürgerschaftsfrage. Es darf sich nicht friedensverräterisch verhalten, weil es bereits in der Präambel des Grundgesetzes zur Friedfertigkeit verpflichtet ist.

Darüberhinaus ist Deutschland Teil der Europäischen Union, einer multinationalen Körperschaft völkerrechtlicher Natur, welche als solche auf die gegenseitige sowie die einseitige Toleranz ihrer Mitglieder ausgerechnet in Fragen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft sowie der Ausländerpolitik angewiesen ist. Auch an dieser Stelle darf sich Deutschland es nicht leisten, friedensverräterisch aufzutreten und zu handeln.

Ferner erlaubt das multinationale Bündnis der NATO dem deutschen Staat, auch bei Feststellung ei­nes Verteidigungsfalles sich selbst nicht verteidigen zu müssen, da andere Länder dies für Deutsch­land leisten.

BMInn Thomas de Maizière
mit pathetischem Blick
Die These „ein Mann, eine Staatsbürgerschaft“ ist zu Zeiten in der Geschichte entstanden, als Krieg das Leben der Völker, der Nationen und der Menschen geprägt hat. Heutzutage prägen der Friede und sein Ausbau das Verhältnis zwischen den Völkern und den Nationen, was aber nicht bedeutet, daß es in einem Teil der Erde den „inneren“ oder den „inländischen“ Frieden gibt.


noch aktuell für die Gegenwart?

Es war ausgerechnet die NSDAP, welche die These verbreitet hat, daß der ewige Krieg ist das übliche Ver­hältnis zwischen den Staaten und zwischen den Völkern bildet, während die Kommunisten ihrer­seits eine ähnlich gelagerte These vertrat, welche als „Klassenkampf“ bezeichnet werden kann. Bei den Nationalsozialistischen endet der Krieg nie, während bei den Kommunisten der Krieg erst dann endet, wenn die Kapitalisten entweder kapitulieren oder vernichtet werden. Deswegen richten sich beide Weltanschauungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung i.S.d. Art. 9(2) GG.

Solche Unzeiten gelten offensichtlich als „normale Zeiten“ für den Bundesinnenminister, also ist sein Ausgangspunkt nicht nur friedensverräterisch, sondern kriegsfördernd, was sich kein deutscher Staatsmann leisten soll – und zwar auch dann, wenn er ursprünglich aus der ehemaligen DDR her­kommt.
Die Deutschen kennen ja schon das Phänomen der
Umsiedlung, haben dennoch keine gute Erfahrung damit.

Der Bundesinnenminister hat keinen Hehl daraus gemacht, die Tatsache mit hinreichender Deutlich­keit zuzugeben, daß die Bundesregierung durch seine vielfältigen Rückführungsprojekte mit min­destens zehn Ländern eine unauffällige ethnische Säuberung Deutschlands betreibt. Dabei spricht er nicht von „Umsiedlung“ oder Ähnlichem, wie dies eingangs der NS-Staat getan hat, sondern er verenglischt die Staatspolitik mit den Worten „resettlement“ und „displaced persons“ so, daß nur die Abgeordne­ten verstehen, was der Bundesinnenminister meint, ohne es deutlich auszusprechen zu müssen. Wer weiß? Vielleicht gibt es einen Journalisten, der sachverständig ist und das mitbekommt, was der Bundesinnenminister vorhat. Eventuell könnten seine Worte richtig gedeutet werden und bei Men­schenrechtsorganisationen Alarm schlagen.
Gleichschaltung und soziale Militarisierung
gehen miteinander einher.


Es liegt auf der Hand, daß er mit diesen Vorsätzen die menschliche Gleichschaltung in Deutschland, welche uns die NS-Regierung als Erbe hinterlassen hat, fortsetzen und aufrechterhalten will. Seine Töne sind freundlich, leise und melodisch. Er poltert nicht wie Goebbels. Doch der Inhalt dessen, was er mit seinen Worten zum Ausdruck bringen will, sind die vom ehemaligen Minister für Volksaufklärung und Propaganda. Es macht die Sache um so gefährlicher, wenn keiner der Volksvertreter dies zur Kenntnis nimmt. Das war aber hier der Fall.


De Maizière rechnet mit einer unausgesprochenen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament – einschließlich Opposition – auf diesem Gebiet. Er scheint davon überzeugt zu sein, daß keiner seiner wahren Vorsätze und Beweggründe merkt.
so ein intelligenter Ausländer !!

Seine Ausländerpolitik weist einige Ungereimtheiten auf. Einerseits heißt es, daß er eine
„kluge, nachhaltige Zuwanderung“ von Ausländern sucht. Es fragt sich nach welchen Maßstäben. Dabei läßt er andeuten, daß er „arisierte Ausländer“ sucht, die viel können, die viel leisten und wenig an Gegenleistung verlangen. Da kann man nur dazu sagen: „Viel Glück bei der Suche.“ In der Tat verlangt er zu viel von Menschen, die seine eigentlichen Absichten nicht kennen.



Andererseits – und das wiederholte er mehrmals – müssen Ausländer ihren Lebensunterhalt bestrei­ten können, ohne daß er erklärt wie. Diese zweite Gruppe von Ausländern möchte er ins Ausland schicken und ist sogar bereit, die Bevölkerungszahl Deutschlands zu verringen, um diese Ausländer loszuwerden und gleichzeitig Ausländer, die ihren eigenen Lebensunterhalt nicht bestreiten können, nicht in das Land zuzulassen.
Ein Nerd wird sein Lebensunterhalt
mit Sicherheit bestreiten können.
Der Bundesinnenminister steht also in einem Dilemma und weiß nicht, wie er mit den Ausländern umgehen soll und ob er sie ausweisen oder hereinlassen soll.

Da de Maizière einfach davon ausgeht, daß sich der Ausländer jedem Mißstand in Deutschland an­zupassen hat, klammert er die Diskriminierungsfrage völlig aus. Ein etwas älterer SPD-Abgeordne­ter spricht das Thema leise an, aber de Maizière geht nicht auf das ein, was er mit seiner Bemerkung und Frage zugleich meint.

Die Reaktion der Abgeordneten auf die recht anstößigen politischen Thesen de Maizières fiel äußerst schwach aus. Es ist ja nicht so, daß Abgeordnete kein kontra gegen etwas geben können, das sie anwidert, aber die nationalistischen Thesen de Maizières waren ihnen nicht anstößig genug. Sie wurden weder als unzeitgemäß noch als für eine moderne, liberale Gesellschaft zersetzend angesehen.
Muß man unbedingt zwischen beiden wählen?

Das hat allerdings den Umstand zur Folge, daß der Bundesinnenminister trotz seiner anstößigen Rede die ganze Zeit mit Samthandschuhen angefaßt wurde.

Er wurde lediglich von zwei Abgeordneten des linken Spektrums widersprochen – einmal von den Grünen und einmal von der Linkspartei. Die Stimmen der beiden waren klagend, unsicher, unsouverän, zögerlich und weinend. Offensichtlich meinten die sogenannten „Volksvertreter“, daß der Rechtsradikalismus des Innenministers in Ordnung war, weil sie ähnliche Auffassungen vertreten.
Gleichschaltung damals

Keiner ist im übrigen auf die Idee gekommen, daß das Diktat des Bundesinnenministers, Menschen hätten nur eine einzige Staatsbürgerschaft zu besitzen, gegen Art. 2(1) GG verletzt, weil es gegen das Recht auf Selbstbesitz verstößt (vgl. auch Gérard Bökenkamp in: Klassischer Liberalismus – Selbstbesitz und Vertragsfreiheit). Offensichtlich steht so ein Recht den Menschen nicht zu.

In der Staatsbürgerschafts- sowie in der Ausländerpolitik bestand keine spürbare Opposition seitens der Abgeordneten und seitens irgendeiner im Bundestag vertretenen Fraktion gegen die Regierung, obwohl es durchaus welche geben könnte – ob leise oder laut geäußert. An dieser Stelle hieß Schweigen Zustimmung. Bei solchen Äußerungen braucht de Maizière nicht zu sagen: „ ... und übrigens bin ich Nazi.
 Das versteht sich von selbst. Dennoch trotz der Tatsache, daß dies selbstredend ist, wäre es der Transparenz halber von Vorteil für die Bürger Deutschland, wenn er dies während dieser amtlichen Verlautbarung verkündet hätte – und zwar einfach um die Bürger über sich selbst aufklären zu können. Das wäre dann richtige Aufklärung. Gerade weil in Deutschland die Wahrnehmungsfähigkeit und die Sensibilität auf diesem Gebiet immer noch schwach ausgeprägt zu sein scheint, wäre eine solche Verkündung eine Orientierung für das Inland und das Ausland zugleich.

Damals ... und heute ??

Offenkundig hat sich das Parlament erneut an das Gleichschaltungsgebot der parlamentarischen Selbstauflösung aus dem Ermächtigungs­gesetz vom 23.03.1933 gehalten. Der Bundestag ist dem Volk schuldig, eine Rechtfertigung darüber zu liefern, weswegen es sich so passiv, gleichgültig und wehrlos gegenüber einem Bundesminister verhält, der Äußerungen macht, die „Nazi-Sprüchen gleichkommen.


Quellen zur weiteren Recherche:
Bundeszentrale für politische Bildung: Wann spricht man von Rechtsextremismus ...?
wikipedia: Antipluralismus beim Rechtsextremismus


gegenüberstellend zur Position des Bundesinnenministers de Maizière zur Staatsbürgerschaft sowie zur Ausländerpolitik wird auf das Parteiprogramm der NPD verwiesen:
Das Parteiprogramm der NPD: Grundgedanken
Grundlage des Staats ist das Volk: eine anti-westliche These
Ist die NPD ausländerfeindlich?
Was versteht die NPD unter Nationalismus?
Warum lehnt die NPD die multikulturelle Gesellschaft ab?


Wer weiter über den Zusammenhang zwischen de Maizières Staatsbürgerschafts- und Ausländerpolitik und den Rechtsradikalen recherchieren möchte, möge dies tun und es der Zeitung dann auch mitteilen.


Was ist die Fragestunde im Parlament und wozu ist sie gut?
Die Fragestunde ist ein Instrument des Parlaments, um die Regierung zu kontrollieren und von ihr Information herauszuholen, die es braucht, um die Arbeit der Regierung zu bewerten.


Allerdings wollen Parlamentarier in einem faktischen gleichgeschalteten Parlament die Regierung gar nicht kontrollieren, sondern ihr politischen Vorschub leisten. An einer Bewertung ihrer Arbeit sind diese Parlamentarier kein bißchen interessiert.


Das gilt insbesondere für die Fraktionen der Regierungskoalition, aber letzten Endes auch für die oppositionellen Fraktionen auch. Die Gewaltenteilung wird schließlich in Deutschland wenig ernstgenommen.

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